Markt Schönberg. Ein Buch, das nie fertig wurde, werden durfte, werden sollte? Der evangelische Hauzenberger Pfarrer Dr. Jonathan Steensen referierte in Schönberg zur Ethik Bonhoeffers, die durch dessen Tod in Flossenbürg unvollendet blieb. So wurde sie auch zum Auftrag, sie selbst weiter zu denken.
In der Reihe Gedenkwochen in Schönberg war es der letzte Vortrag zu den Vorgängen rund um die Gefangenen der SS im April 1945. Vermutlich war es die komplexeste Thematik, die zugleich mehr Fragezeichen als Antworten dazu hinterließ, was den Menschen in seinem Handeln antreiben sollte. Steensen berichtete erst darüber, was erhalten geblieben ist. Es sind fast fertige Kapitel und dann auch wieder Fragmente. Es wurde damit gearbeitet wie mit einem Puzzle, ohne ganz das komplette Bild rekonstruieren zu können. Es steht in einem Kontext, in dem Bonhoeffer seine Zeit scharf konturiert gesehen hat mit Ohnmacht gegenüber Nationalsozialismus und dem Eindruck, dass die klassischen ethischen Werte die Wirklichkeit von Gut und Böse oder wahr und gelogen dort nicht mehr genügend greifen konnten. Was war los mit Vernunft, Prinzipien, Gewissen oder Tugend? Sollte man den Tyrannen töten oder resigniert auf Veränderung hoffen? Am Begriffsbeispiel „Radikalismus“ näherte sich Steensen der Ethik Bonhoeffers, die auf menschliche Ebene keine abschließende Handlungsempfehlung aussprechen kann. Für Bonhoeffer ist Ethik kein Handbuch, in dem man nachschlagen kann, wie man sich richtig verhält. Vielmehr fragt er danach, wie man als Mensch in seiner Zeit auf Gottes Ruf zur Verantwortung leben kann. Einen festen Ankerpunkt liefere dazu Jesus, der sowohl das Göttliche wie auch das Menschliche in sich vereine. Der Retter und Erlöser, der Verurteilte, Verhöhnte und Gekreuzigte. Der Begrabene und der Auferstandene. Nach Bonhoeffers Überzeugung sei „Das Letzte“ schon längst entschieden, wenn wir dereinst vor Gott treten. Der Gläubige weiß um Gottes Gnade, die ihn liebt und annimmt. Aber „Das Vorletzte“ bleibt erst einmal beim Menschen. Es kann eine innere Zerrissenheit sein. Was hasse ich mehr, im Kompromiss halbgare Entwicklungen zu akzeptieren oder im Extrem mit strikt verfolgten Zielen andere zu quälen? Beides kann wahr und falsch zugleich sein. Bleibt dabei Christus ein beständiger Maßstab, indem die göttliche Motivation nicht der Hass sondern die Liebe ist? Das fordert uns heraus und fragt uns ständig: Was ist meine eigene Ethik in Verantwortung vor einem Größeren?
Bildunterschrift:
Dr. Jonathan Steensen konnte die Ethik Bonhoeffers nicht wie einen Werkzeugkasten für gutes Handeln eröffnen, aber als Fragenkatalog, der ständig neu und mit Verantwortungsbewusstsein gewälzt werden muss, um zu zweifeln und dann beherzt einzutreten. Foto: Markt Schönberg